Gut geschrieben - Martina Franca


Es war ein kühler Tag an dem du kamst, dich stumm neben mich setztest und nach einer langen Weile fragtest: "Wozu ist Rechtschreibung eigentlich gut? Schreiben überhaupt ist blöd!"
"Die Rechtschreibung ist ein Teil des Schreibens. Wozu Schreiben, das hat viele Gründe und das wie Schreiben ist oft ein Rätsel."
"Für mich ist nur die Rechtschreibung ein Rätsel!"
"Wieso?"
"Weil wir heute ein Diktat hatten und ich eine derart miese Note habe, dass ich gar nicht mehr schreiben will!"
"Ist das Alles?"
"Das genügt!"
Und dann erzählt Martina, wie das ist mit dem recht-schreiben:
"Du hast recht, es macht oft keinen Sinn, wenn gegeben ohne "h" oder doppel ee geschrieben wird - oft wird so zögerlich gegeben, dass es "geeehbeen" geschrieben werden sollte und dann wenn ich sptäer denke, mich erinnere, wie er gab, war es ein "gaahaab". Denn als er es tat hätte es "er giehiibt" heissen sollen. Und dann sind dann die da, die so verschämt geben, dass eigentlich ein "er gibt" gar kein i haben dürfte, den " er gbt" nur. So siehst Du, sehen wir Menschen die Worte.
Die Worte selber sehen sich ganz anders: Sie leben in einem streng organisierten System. Sie haben verstanden, dass es wenn sich alle so ähnlich sehen und sie nur aus 26 verschiedenen Teilen bestehen können, dann ist es ganz wichtig, dass sie sehr genau, ernst, genommen werden von dem der sie gebraucht!
z.B. gehen und geben:
der Unterschied sind messbar 3 mm Tintenstrich und eine kleine Biegung und doch sind zwischen gehen und geben Welten! Es sind diese kleinen Unterschiede, die sie einzigartig sein lassen, wir müssen diesen Unterschieden grosse Aufmerksamkeit schenken, wollen wir den Worten gerecht werden!
Stell Dir vor: was geschieht, wenn jemand geben mit gehen verwechselt in seinem Leben: Dann geht er immer ohne zu wissen wohin. Wenn er nichts geben kann, kann er auch nichts bekommen und weil er etwas verwechselt hat und immer geht weil er glaubt gehen ist geben - läuft er sich zu Tode! Und das nur, weil er 3 mm Tinte und einen Bogen, übersehen hat. Grässlich diese Vorstellung!"
"Ja, Martina, das wäre wirklich saublöd!"
"Eben, darum gibt es immer etwas das helfen kann: bei den Worten gibt es die Wortfamilien - hier ist jede für einen ganzen einheitlichen Bereich zuständig, die Familie der Hauptworte, der Verben, der Adjektive, der Pronomen usw.
Dank dieser Zugehörigkeit können wir sagen " er gibt" wenn es tatsächlich ein Mann war der etwas gab. Allerdings wissen wir noch nicht, was und wie er gab. Wollen wir erzählen, ohne dass uns jemand sieht, wie der Mann gab und es eigentlich ein gaaaaaab, war weil er gar keine Lust hatte uns etwas zu geben, dann rufe ich mir ein Adjektiv zu Hilfe und so wird aus "er gaaaaab" ein "er gab zögerlich", hingegen, wenn er freudig gegeben hat, dann vielleicht sogar ein: "er gab mit leuchtenden Augen" oder ein "er gab mit Begeisterung" Dank der Wortfamilien, die alle zusammengehören und zusammenspielen, wird es möglich alles, was uns bewegt, festzuhalten in unserer Erinnerung, nicht nur in einem Bild, sondern auch in Worten, die das Erzählen einer schönen Geschichte ermöglichen. Je mehr ich schöne Geschichten erzählen kann, um so schöner wird die Welt in der wir leben. Darum sind gut gewählte Worte, die richtig geschrieben sind so wichtig = mit ihnen lässt sich ständig Schönheit und Wohlbefinden verbreiten!"
Sie denkt nach und noch sehr nachdenklich fragt sie:
"Martina, wenn der Mann "gb" - könnte es sein, dass ihm nicht wohl war? Wie würdest Du dem sagen?"
"Meinst Du er gab ängstlich, beschämt, unentschlossen oder gar mit Widerwillen?"
"Ma, ich weiss nicht so recht, vielleicht wusste er auch einfach nicht recht...."
"Wie sieht dein Mann denn aus, wenn er gibt?" frage ich zurück.
Sie schneidet ein vielsagendes Gesicht.
"Und wie steht er da, wie bewegt er sich?"
Sie steht auf und macht mir auch dieses vor.
Ich suche nach Worten für sie, die das was sie macht ausdrücken könnten, wieder und wieder.
Und mit einem mal muss sie fürchterlich lachen - ich sehe sie verwundert an und frage schliesslich:
"Was habe ich gesagt?"
"Martina,..........., stell Dir vor, wie einer aussieht, der alles was Du sagst gleichzeitig machen will!"
Sie krümmt sich vor Lachen und wie ich es mir vorstelle, kann auch ich nicht anders.
Als wir uns wieder etwas gefangen haben, höre ich mich sagen: "Weisst Du was das Schlimmste ist für einen dem es so ergeht?"
"Nein......"
"Der kommt gar nicht mehr zum Geben........."
"Ja, der muss alles für sich behalten, der Arme!"
Mit einem Schlag sind wir beide wieder sehr nachdenklich.
Plötzlich springt sie auf, sie hat es so eilig, dass ich nur höre:: " Af W, ich ms schr ü!"

Ein paar Tage später kommt sie wieder zu mir, mit einem Heft und Bleistift ausgerüstet.
"Martina, kannst Du mir helfen?"
"Wenn ich kann, gerne! Worum geht es?."
Es ist bald Ostern und so will der Lehrer, dass sie einen Aufsatz schreiben über Ostern. Sie hat sich ausgedacht, dass sie von einem Hasen berichten will, der so klein ist, dass es ihm wichtig ist ein besonders schönes Ei zu malen.
"Das ist eine sehr schöne Geschichte, wo hast Du Deine Schwierigkeit?"
"Marina, wie kann ich sagen, dass der Hase sooooooooooooooooo klein wa?" sie macht mir vor wie klein."
"Wenn ich Dich so sehe, dann würde ich sagen, der Hase war unheimlich klein - er will doch heimlich etwas Grosses schaffen, alle überraschen?" " Ja" "Dann passt unheimlich besser als unwahrscheinlich - unwahrscheinlich wäre eher, wenn wer wollte, dass ihm Keiner glaubt, sondern alle nur über ihn staunen sollen ohne zu sehen, dass er es getan hat, also eher ihn sehen sollen als sein Ei."
"Und wie wichtig ist ihm das? - aha - und das Ei ist wie schön?........ hmmm
Nach viel Gelächter und ernsthaften Verhandlungen sind wir uns einig, dass es einem unheimlich, kleinen Hasen ausserordentlich wichtig war ein ungeheuerlich, einzigartiges Ei zu schaffen.........
Bis hierhin war die Freude am Schreiben so riesig gewesen, dass sie nun durch absolut gar nichts mehr getrübt werden durfte:"Martina, habe ich auch sicher alles richtig geschrieben - sind die Worte mit mir zufrieden?" fragt sie mich.
"Ja, meine Liebe und der Lehrer sicherlich auch!"

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